Worum geht es bei Pulse of Europe?

Offizieller Initiator der sogenannten Bürgerbewegung ist ein Anwalt aus einer großen Frankfurter Wirtschaftskanzlei. Arbeitsplatzabbau, Privatisierungen und ÖPPs (öffentlich-private Partnerschaften – eine beliebte Methode zur Profitgenerierung aus öffentlicher Infrastruktur) sind wesentliche Arbeitsschwerpunkte von greenfort.

Selbstverständlich wäre es eine völlig unangemessene, verschwörungsideologische Argumentation, hier auf dieser Basis eine ökonomisch irgendwie mit der EU und deren Markt- und Privatisierungswahn verquickte Interessenlage nahe zu legen, weshalb ich das natürlich auch nicht tun möchte.

Stattdessen schaue ich mir nur die 10 Punkte an, um die es laut der Webseite von Pulse of Europe geht:

Es geht also darum, „Europa“ (oder „die EU“?) zu retten. Offensichtlich ist diese Rettung viel wichtiger, als die kleinliche Darlegung dessen, was denn nun tatsächlich gerettet werden soll…

Punkt eins sagt konkret eigentlich genau gar nichts aus, macht aber klar, dass man nicht gewillt ist, zwischen „Europa“ und der EU irgendeine Form der Unterscheidung auch nur nahe zu legen. Das ist aus meiner Sicht die zentrale Information, die man hier aufnehmen sollte.

In Punkt zwei lernen wir, dass die Europäische Union (oder Europa? – Ach ja, das wollen wir ja nicht unterscheiden…) die eigentliche Friedensbewegung ist, die wir unbedingt – und offensichtlich vorbehaltlos – unterstützen müssen. Eine Schande, dass nicht alle Ostermärsche mit EU-Fahnen zelebriert wurden. Man stelle sich mal vor: es gibt sogenannte Friedensaktivisten, die sich erdreisten, die EU für die zunehmende Militarisierung nicht nur der Außengrenzen, sowie Ihre Rolle bei der Eskalation der Konflikte in Syrien und der Ukraine zu kritisieren. Ungeheuerlich!

Punkt drei und vier sind an Inhaltsleere kaum zu überbieten, aber zugegebenermaßen sehr schön formuliert. Fast jeder Mensch wird sich darin bei „den Guten“ wieder finden und wissen, wer der Feind ist.

Punkt fünf macht klar, dass es „uns“ hauptsächlich um Rechtssicherheit geht. Es existiert aber sicherlich kein Zusammenhang dazu, dass die bei vielen Bürgern – nicht zuletzt gerade wegen der drohenden und fragwürdigen Paralleljustiz – wenig beliebten sogenannten Freihandelsabkommen TTIP, CETA, TISA und Co. einfach NICHT thematisiert werden.

Punkt sechs erklärt die europäischen Grundfreiheiten (Personenfreizügigkeit, freier Warenverkehr, freier Zahlungsverkehr und Dienstleistungsfreiheit) zur unverhandelbaren Basis der europäischen Union (und somit des Friedens). Wer da auch nur den Hauch eines Verweises auf so etwas wie soziale Grundrechte vermisst…nun, der vermisst das wohl…

Punkt sieben erklärt „Reformen“ für notwendig. Wer beim Wort „Reformen“ instinktiv seinen Geldbeutel festhalten möchte, liegt vermutlich richtig, aus dem Text geht aber – komischerweise 😉 – nichts Konkretes hervor.

Die letzten Punkte, acht bis zehn, kleiden nochmal sehr geschickt in schöne Worte, dass „wir Alle“ doch zusammen stehen müssen, um „Europa“ – und überhaupt: die Welt – zu retten.

Insgesamt wirkt das auf mich wie eine – außergewöhnlich geschickt formulierte – Herrschaftsideologie. „Wir“ sind „die Guten“ und haben natürlich jedes Recht, „uns“ gegen „die Feinde Europas“ (oder der EU?) zu wehren. Eine – wie auch immer geartete – Kritik der aggressiven, imperialistischen Politik der EU ist hier offensichtlich nicht angedacht. Vielmehr scheint es mir ein wenig so, als würde jegliche solche Kritik im Keim als „anti-europäisch“ diskreditiert werden sollen.

Der Kern dieser „Bürgerbewegung“ ist es also, möglichst viele „gute Europäer“ (idealerweise sind das quasi alle Bürger der EU) unter der Fahne der EU zu vereinen. Da dabei offensichtlich jegliche soziale und/oder ökonomische Unterschiede elegant beiseite gewischt werden um „die Europäer“ (oder eben „das Volk“) gegen äußere Feinde zusammen zu schweißen, erscheint mir das Ganze sogar als durchaus faschistoid.

Zusätzliche Informationen:

Zum aus meiner Sicht besonders schwerwiegenden Punkt zwei – die EU als friedensstiftende Institution – hier eine sehr klare Analyse, warum das nicht haltbar ist:

Hier etwas kürzer, dafür mit Bezug zu Pulse of Europe:

Wer lieber liest findet hier Stoff zu europäischer Geschichte, Rassismus und der fortdauernden Ausbeutung Afrikas:

Rodney: Wie Europa Afrika unterentwickelte

Hier ein guter Artikel auf den Nachdenkseiten zu den Themen „Europagegner“, „Europafreunde“ und Populismus von Pulse of Europe:

„Europagegner“ – ein neues Totschlagargument macht Karriere

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